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W. Schneider, Regierungsvermessungsrat Eltville
Die Längenmessung im Talweg des Rheines (Kilometrierung)

Die Gründe, die zu einer durchlaufenden Längenmessung im Talweg des Rheines führten, waren verschiedener Art:
Der Kampf gegen den ungebändigten Strom verlangte einwandfreies Kartenmaterial. Der Berechnung der Rheinzölle für den immer mehr emporstrebenden und sich auf den Oberrhein ausdehnenden Schiffsverkehr mußten genauere Entfernungen zugrunde gelegt werden als bis dahin üblich. Schließlich kann eine nach einheitlichen Richtlinien durchgeführte moderne Verwaltung eines Stromes von internationaler Bedeutung wie des Rheines einer einheitlichen Kilometrierung nicht entbehren.

In zwei Großabschnitten des Rheines war der Mensch immer wieder gezwungen, den Kampf mit Wasser und Eis aufzunehmen: Am Oberrhein von Basel bis Bingen und am Niederrhein von Bonn bis in die Niederlande. Bedingt durch die Untergrund-, am Niederrhein auch durch die Gefällsverhältnisse, war der Rhein bestrebt, dauernd sein Bett zu verlegen und somit die anliegenden Ortschaften bei jedem Hochwasser oder Eisgang der Gefahr der Zerstörung auszusetzen. Der Rhein mäandrierte. War eine Schleife genügend scharf ausgebildet, dann brach beim nächsten Hochwasser der Strom an der schmalsten Stelle durch. So kommt es, daß Orte, die z.B. früher auf dem linken Ufer lagen, heute auf dem rechten Ufer liegen, oder daß sie jetzt gar, wie die ehemalige Feste Schenkenschanz oder die Städte Rheinberg, Xanten und Neuß, weit ab vom Strom liegen, während sie früher zumindest sich an einem größeren Rheinarm befanden.

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Im Gegensatz zu den Regulierungsarbeiten am Niederrhein unter dem Großen Kurfürsten und unter König Friedrich dem Großen und zu den vor 1817 üblichen Abwehrmaßnahmen am Oberrhein, die sich hier genau wie dort immer nur auf einzelne, gerade besonders gefährdete Strecken bezogen, lagen die Arbeiten am Oberrhein nach der Bildung des Großherzogtums Baden Entwürfe für eine große zusammenhängende Strecke zugrunde.

Johann Gottfried Tulla, der Leiter des Flußbauwesens in Baden, legte in verschiedenen Denkschriften seine Gedanken über eine umfassende Regulierung des Stromes nieder. In seiner Denkschrift von 1812 erachtet Tulla "zur Entwerfung einer Rheinrektifikation und Beurteilung derselben in hydrotechnischer, ökonomischer und merkantilischer Hinsicht" die Aufnahme von Stromkarte, Länge- und Querprofilen, Messungen der Wassermengen, vergleichende Berechnungen über Bauaufwand und Betrag des Nutzens und dergleichen unentbehrlich.

Die Aufnahme von Stromkarten aufgrund trigonometrischer Messungen hielt Tulla deshalb für unentbehrlich, weil bis dahin außer der sogenannten Noblat'schen Grenzberichtigungskarte, entstanden in den Jahren 1770/80 längs der französischen Grenze, nur zahlreiche, zusammenhanglose Lagepläne, einzelne Pläne größeren Maßstabes für Rheinbauzwecke und Übersichtskarten des Rheinlaufes bestanden. Sie wiesen aber wegen der Veränderlichkeit des Flusses und der Ungenauigkeit bei der Aufnahme derartige Mängel auf, daß sie einem zusammenhängenden Korrektionsentwurf nicht zugrunde gelegt werden konnten.

Welche Schwierigkeiten einem solchen Werke zu damaliger Zeit entgegenstanden, geht schon daraus hervor, daß nicht einmal die Grundlage, nämlich das Maßsystem, einheitlich war. Man gebrauchte nicht weniger als 7 verschiedene Längen und 16 verschiedene Flächenmaße. Auf Tullas Vorschlag wurde als Längenmaßeinheit der "Dezimalfuß" zu 3 Dezimeter mit zehnteiliger Unterteilung eingeführt.

Bereits um 1806 begann Tulla mit der Herstellung einer zusammenhängenden Karte, allerdings nur auf Grund topographischer Aufnahmen. Erst ab 1810 kamen trigonometrische Messungen (von Tulla selbst begonnen, der ursprünglich auch im Vermessungsdienst ausgebildet war) hinzu, und 1828 war die erste "badische offizielle topographische Karte des Rheinstromes" entlang der französischen Grenze fertiggestellt.

Den Anlaß zur Erstellung dieser Karte bildete aber nicht etwa die geplante Rheinkorrektion: vielmehr waren es die Grenzverhältnisse, die durch den Frieden von Lunéville vom 9. Februar 1801 neu geschaffen wurden. Hiernach wurde der Talweg des Rheines von Hüningen bis nach Holland sowohl Landes- als auch Eigentumsgrenze zwischen Frankreich und den deutschen Uferstaaten. Die Bestimmung, daß der Talweg gleichzeitig die Eigentumsgrenze bilden sollte, führte zu großen Unzuträglichkeiten. Sie ließ die Verhandlungen, die in den Jahren 1770/80 zur Festlegung der Noblat'schen Grenze geführt hatten, völlig außer Acht. In der Noblat'schen Grenzberichtigungskarte waren die Bann- und Eigentumsgrenzen der Gemeinden rechts und links des Rheins festgestellt und an Ort und Stelle bezeichnet.

Durch das Zusammenlegen von Hoheits- und Eigentumsgrenze entstanden naturgemäß erhebliche Unzuträglichkeiten.

Erst durch die beiden Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 und vom 26. November 1815 wurden wieder Verhältnisse hergestellt, die alle Teile befriedigten. Nach Art. III, Ziff. 3 des Vertrages von 1814 nämlich bildet der Talweg die Hoheitsgrenze zwischen Deutschland und Frankreich, während bezüglich des Eigentums der Rechtszustand, wie er vor Abschluß des Luneviller Friedens bestand, wiederhergestellt werden sollte. Nach Art. I, Ziff. 2 des Vertrages von 1815 wurde eine Kommission gebildet, die die schwierige Aufgabe der Wiederherstellung dieses Rechtszustands hatte. Rund 10 Jahre dauerte es, bis diese Aufgabe gelöst war. Das Ergebnis war der Staatsvertrag vom 30. Januar 1827 zwischen Baden und Frankreich, der aber so viele Schwierigkeiten bei seiner Durchführung ergab, daß er bereits 1833 wieder außer Kraft gesetzt wurde. Neue Verhandlungen führten endlich zu dem Staatsvertrag vom 3. April 1840 zwischen Baden und Frankreich, der heute noch gültig ist.

Nach Art. 2 bis 4 dieses Vertrages bildet die Achse des Talweges die Talweggrenze. Unter der Achse des Talwegs sollte die Linie der tiefsten Peilung verstanden sein: eine Linie also, die dauernden Änderungen unterworfen ist. Wegen dieser Veränderlichkeit sollte jedes Jahr im Oktober eine Kommission diesen Talweg neu bestimmen und am Ufer durch Inschriften festlegen.

In entsprechenden Vereinbarungen und Verträgen zwischen Baden und Bayern, Baden und dem schweizerischen Kanton Aargau, Preußen und Hessen wurde immer wieder der Talweg bzw. die Mitte zwischen den Korrektions- bzw. Uferlinien als Hoheitsgrenze festgelegt.

Aber nicht nur in zwischenstaatlichen Verträgen wurde der Talweg als Grenze festgelegt, sondern auch zwischen den Verwaltungen eines Landes, wie des das Rescript vom 19. Juli 1858 es Preuß. Ministers für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten beweist, das auf den übereinstimmenden Antrag der Kgl. Oberbergämter Bonn und Dortmund genehmigte, daß die Mittellinie des damaligen Rheinufers als der gesetzlichen, aber veränderlichen Grenze der beiden Rechtsgebiete, dem Talweg am nächsten kommend, ermittelt und als bleibende Grenzscheide festgestellt werde.

Während sich die bisher geschilderten Arbeiten immer nur auf einen mehr oder weniger eng begrenzten Abschnitt des Rheines erstreckten, stellten die Messungen, die durch die immer mehr emporstrebende Schiffahrt verursacht wurden, wirklich zusammenhängende Längenmessungen dar.

Durch die "Übereinkunft unter den Uferstaaten des Rheins und auf die Schiffahrt dieses Flusses sich beziehende Ordnung" vom 31. März 1831 wurde die sogenannte "Central-Commission für die Rheinschiffahrt" ins Leben gerufen. In dieser waren alle Rheinuferstaaten, also Frankreich, Baden, Bayern, Hessen, Nassau, Preußen und die Niederlande vertreten.

Im 2. Teil, Art. 18 dieser "Convention" wurde erstmals eine Gesamtvermessung des Stromes angeregt. Es heißt hier:

Da die Festsetzung des im Tarif C. ausgeworfenen Zolles nur auf den aus vorhandenen Stromkarten entnommenen, mehr oder weniger genauen Angaben beruhet: so soll im ersten Jahr nach der Ratifikation der gegenwärtigen Ordnung fernerweitig zu einer Vermessung des Stromes in seiner ganzen Länge bis Krimpen und Gorcum geschritten und der Tarif demnächst nach dem Resultat dieser Vermessung dergestalt definitiv festgestellt werden, daß der Gesamtbetrag der Gebühren nicht das Verhältnis übersteige, welches sich im 3ten Artikel des Anganges von der Rheinschiffahrt zur Wiener Kongreß-Akte festgesetzt findet, und daß die Entfernung von Lobith bis Gorcum gleichmäßig zur Basis für den Betrag des Zolles von Lobith bis Krimpen und umgekehrt dienen, und für beide Strecken der nämliche Zoll erhoben werden soll.

Die Central-Commission wird zu diesem Ende einen Sachverständigen abordnen, denselben im gemeinschaftlichen Interesse aller Uferstaaten eidlich verpflichten und ihm die obere Leitung des ganzen Vermessungsgeschäftes übertragen.

Jedem einzelnen Uferstaat für sich soll es freistehen, diesem Gesamt-Abgeordneten zum Behufe der Kontrollierung seines Verfahrens einen Spezial-Kommissarius auf eigene Kosten beizugeben.

Entsteht zwischen dem Gesamtabgeordneten und dem Spezialkommissarius eine Meinungsverschiedenheit, so ist von der Central-Commission darüber zu entscheiden.

Die durch vorgenommene Stromkorrektionen bewirkte Abkürzung des Laufes soll übrigens keine Minderung des Tarifs begründen; wohlverstanden jedoch, daß dergleichen Rektifikationen, welche unbestreitbar von allgemeinen Interesse sind, nur in Übereinstimmung mit den übrigen Uferstaaten unternommen werden.

 Im Jahresbericht der Central-Commission von 1844 wurde festgestellt, daß die vorerwähnte Längenmessung 1839 beendet war. Die Arbeit war geprüft und für richtig befunden worden. Die Messung hatte folgendes Ergebnis:

Die Länge des Rheins von Straßburg bis zur niederländischen Grenze beträgt 640.247m
früher wurde sie angenommen zu 646.600m
mithin mehr 6333m
oder für beide Ufer mehr 12.706m
   
Die Länge des Stroms beträgt  
von Straßburg bis Mainz 272.910m
von Mainz bis Köln 189.582m
von Köln zur niederländischen Grenze 177.733m
zusammen * 640.247m
* Nach dem im Rhein-Verlag Duisburg erschienenen Weska 1950 beträgt die Entferung Straßburg-niederländische Grenze bei Bimmen 884,80-294,30 = 570,50km. Der Unterschied in den Längen erklärt sich aus den Verkürzungen, die durch die Korrektionen am Ober- und Niederrhein entstanden. So beträgt z.B. die Verkürzung auf der Strecke Orsoy-Bimmen 77,80 km (nach Eversmann, 1836) - 71,80km (nach Weska 1950) = 6,00 km. (Entnommen der Karte "Die alten Rheinarme und der jetzige Rhein von Orsoy bis Arnheim" 1:100.000 aus dem Archiv der Wasserstraßendirektion Koblenz).

Von dieser Länge zwischen Straßburg und der niederländischen Genze gehören

links
m
rechts
m
m
zu Frankreich 69.735
zu Baden 207.311
zu Bayern (welchem auf dem rechten Ufer der Brückenkopf zu Germersheim angehört) 131.205
zu Hessen 103.083 76.925 180.010
zu Nassau 85.621
zu Preußen 336.222 270.390 606.612
Total 640.247 640.247
Es betragen die Entfernungen m
von der badisch-französischen Grenze bis Breisach 57.780
von Breisach bis Straßburg 75.008
von Straßburg bis Neuburg 71.977
von Neuburg bis Mannheim 73.168
von Mannheim bis Mainz 87.765
von Mainz bis Koblenz 48.112
von Koblenz bis Andernach 24.446
von Andernach bis Linz 16.857
von Linz bis Köln 58.002
von Köln bis Düsseldorf 55.988
von Düsseldorf bis Ruhrort 36.201
von Ruhrort bis Wesel 33.889
von Wesel bis zur Niederländischen Grenze 51.677

Interessant in diesem Zusammenhang ist der Bericht der Niederländischen Regierung über die Festlegung der Strommittellinie und der Stromlängen am Rhein. Er beschäftigte sich mit den von der Ober-Bau-Deputation Berlin vorgeschlagenen, etwas primitiven Bestimmungsmethoden. Die Ober-Bau-Deputation glaubte, man könne ohne jede örtliche Untersuchung und Ermittlungen die Mittellinie und Stromlängen auf den vorhandenen Karten einfach geographisch bestimmen. Verhandlungen jedoch führten zu den 1839 beendeten eingehenden Messungen

Im Jahre 1863 beschloß die Central-Commission

die Zusammenstellung eines Gesamtnivellements für den Rhein anfertigen zu lassen, und ersuchte die Königl. Preußische Regierung, mit dieser Arbeit einen geeigneten Techniker zu beauftragen und sich der Leitung derselben zu unterziehen. Die gedachte Regierung hat diesem Ansinnen entsprochen und die Ausführung des für die Strombauten und folgeweise auch für die Schiffahrt wichtigen Werkes dem Rheinstrom-Baudirektor, Geheimen Regierungs-Rath Nobiling zu Coblenz übertragen.

Es haben ferner Verhandlungen über die Feststellung eines gemeinsamen Maßstabes für die Rheinstromkarten in den sechs oberen Uferstaaten stattgefunden und zu dem erfreulichen Resultat geführt, daß Hessen, Nassau und Preußen sich entschlossen haben, den Maßstab für die Karten der Badischen, Bayerischen und Französischen Stromstrecke von 1:20 000 der natürlichen Größe auch ihrerseits anzunehmen und danach die Karten für ihre Stromstrecken anzufertigen resp. umzeichnen und vervielfältigen zu lassen. Infolgedessen wird dem Publikum in Zukunft ein Kartenwerk zu Gebote stehen, welches ein gleichmäßiges und getreues Bild des Stromes von Basel bis zur Niederländischen Grenze darbietet.

Zur Ermittlung der mittleren Stromlänge war eine ununterbrochen fortlaufende Längenmessung auszuführen, die ihren Anfang in der Mitte der Rheinbrücke zu Basel nimmt.

Hierzu hatte Frankreich und Baden die Messung zunächst in Angriff zu nehmen und das Resultat derselben bis zu ihren Landesgrenzen sowohl dem kgl. preußischen Kommissar als auch den Kommissionen der angrenzenden Uferstaaten mitzuteilen, welche ihrerseits die Messung fortsetzen und deren Ergebnisse ebenfalls weiterzugeben hatten.

Während alle bisherigen Längenmessungen ausgeführt wurden, ohne daß diese durch feste Zeichen in der Örtlichkeit sichtbar gemacht wurden, wurde 1867 beschlossen, sogenannte Myriametersteine zu setzen. Im Jahresbericht 1867 der Central-Commission heißt es hierüber:

Zur Gewinnung eines sicheren Anhalts für alle künftigen Höhenmessungen und zur besseren Übersicht der verschiedenen Gefällsverhältnisse war nämlich der Plan verabredet, alle Myriameter auf jedem Ufer, gerade gegenüber, einen festen Stein setzen und an demselben unverrückbare Pegel mit dem Nullpunkte am Amsterdamer Pegel anbringen zu lassen, an welchem das Gefälle jeder beliebigen Zwischenstrecke eines jeden Wasserstandes unmittelbar abgelesen werden sollte. Anstatt aber beim Setzen der Kilometersteine auf dem franz. Ufer die Landesgrenze bei Hüningen als Nullpunkt anzunehmen, sollte beim Setzen der beiderseitigen Myriametersteine die Basler Brücke als Nullpunkt gelten. Unter dieser Annahme liegt nun (nach den neuesten Karten gemessen) die untere bayerische Grenze auf dem linken Ufer 271.740m und die untere badische Grenze auf dem rechten Ufer 270.420m unterhalb der Basler Brücke, so daß der 28. Myriameterstein auf dem hessischen Gebiete 8.260m unterhalb der bayerischen Grenze und 9.380m unterhalb der badischen Grenze zu stehen kommen würde.

Das 1863 beschlossene Gesamt-Nivellement bedurfte nach einer gewissen Zeit einer Revision. Ihr sollte eine Neuvermessung der Stromlänge vorausgehen, und zwar sollte die Längenmessung zunächst auf der hessischen Strecke in Berücksichtigung der preußischen Neumessung berichtigt werden (1883). Diese Messung war 1890 beendet, mußte aber wegen mangelnder Genauigkeit wiederholt werden. Die Wiederholungsmessung fand 1902/03 statt. Die Bedingungen für die Arbeiten des ehemaligen hessischen Wasserbauamtes Worms lauteten:

"Von dem damaligen Kilometerstein 270 am Ufer an der hessisch-badischen Grenze oberhalb Worms war ein Lot auf die in der badischen Stromkarte festgelegte Stromachse zu fällen; dieser Lotpunkt ist der km 270 und an ihm hatte die hessische Messung zu beginnen; an diesem Lotpunkt hatte die hessische Stromachse die badische Stromachse zu berühren und hatte von hier in der Strommitte bzw. in der Mitte der Korrektionslinie zu verlaufen. Die Stromachse war aus sich berührenden Geraden und Kreisbögen zu bilden und ihre Länge durch Rechnung zu bestimmen."

Während die Konstruktion der Achse in den Stromkarten sowie die Eintragung der Mittelpunkte und Radien der Kreisbögen keine besondere Schwierigkeit bereitete, stellte die Berechnung der Längen teilweise ganz neuartige geodätisch-mathematische Aufgaben, die aber zur vollsten Zufriedenheit gelöst wurden. Die in Worms angewandten Methoden wurden auch von dem ehem. hess. Wasserbauamt Mainz übernommen, so daß im Jahre 1903 die Kilometrierung auf der ganzen hessischen Strecke gesetzt werden konnte.

1904 machte Hessen der Zentral-Kommission Mitteilung über die Ergebnisse der Längenmessung auf der hessischen Stromstrecke. Preußen und die Niederlanden werden ersucht, die Erklärung ihrer Regierungen wegen Vervollständigung der Längenvermessung in der preußisch-hessischen Rheinstrecke und im niederländischen Gebiet herbeizuführen.

Nachdem Preußen i.J. 1906 die Längenvermessung seiner Strecke zu Ende geführt hatte, wurde dem Protokoll A XXVI von 1910 die neue Längenbestimmung des preußischen Rheinufers und das Ergebnis der Längenvermessung des Stromes von Basel bis Rotterdam als Anlage beigegeben.

So wertvoll die bisher erzielten Ergebnisse einer einheitlichen Kilometrierung des Rheines auch sein mochten, ein empfindlicher Mangel haftete ihnen doch an: die Längenmessungen hatten trotz des Beschlusses von 1863 keinen gemeinsamen Anfangspunkt. Die badische Kilometrierung begann an der schweizerisch-badischen, die bayerische Kilometrierung an der französisch-bayerischen Grenze. Die hessische Messung hatte ihren Anfang in der mittleren Brücke in Basel, während die preußische Kilometrierung an der hessisch-preußischen Grenze begann.

Daß diese Vielfalt der Nullpunkte keineswegs als ideal zu bezeichnen war, liegt klar auf der Hand. Nach eingehenden Untersuchungen wurde daher auf Anregung der badischen Ministerialabteilung für Wasser- und Straßenbau seitens des Reichs- und Preuß. Verkehrsministers der Vorschlag gemacht, alle Kilometrierungen auf einen Nullpunkt zu beziehen, aber nicht wie bisher auf die mittlere Brücke in Basel, sondern unter Berücksichtigung des geplanten Hochrheinausbaues auf die Brücke in Konstanz.

Da der Hochrhein auf großen Strecken die Grenze gegen die Schweiz bildet, wurden mit dem Eidgenössischen Amt für Wasserwirtschaft in Bern Verhandlungen geführt mit dem Ergebnis, daß die Schweiz ihr Einverständnis zu diesem Plan gab. Der Gedanke, den beabsichtigten Ausbau des Hochrheines bei der Kilometrierung bereits in Rechnung zu stellen - durch Verminderung von Krümmungen des Fahrwassers und den Bau von Zu- und Abflußkanälen der Schleusen würde die Strecke eine Kürzung erfahren - wurde aus zwei Gründen fallen gelassen: erstens war die Linienführung noch nicht festgelegt und zweitens wurde auf den Charakter als Grenzfluß Rücksicht genommen. Die Schweiz stellte lediglich die Bedingung, daß ihr durch die Umkilometrierung - die Hochrheinstrecke war bisher stromaufwärts eingeteilt - keinerlei Kosten erwachsen dürften, daß also die vorhandenen Kilometersteine erhalten bleiben mußten.

Überhaupt spielte die Kostenfrage bei dem ganzen Beginnen eine große Rolle. Die einzelnen Länder hatten den Sichtzeichen größte Aufmerksamkeit gewidmet und sie teilweise, wie z.B. Hessen, für ihr Stromnivellement mit Höhenbolzen versehen. Man war bestrebt, diese Sichtzeichen durch Übermalen mit den neuen Kilometerangaben zu erhalten. Dies war allerdings nicht ohne weiteres möglich, da man Rücksicht nehmen wollte auf die ursprünglich angewandte Methode der Kilometrierung - ob Achs- oder Uferkilometrierung - und auf die Art der Einmessung der Kilometerpunkte (in Hessen waren die Kilometersteine trigonometrisch eingemessen). Um mit dem geringsten Kostenaufwand das Ziel zu erreichen, entschloß man sich bei einer Besprechnung am 23. März 1938 zwischen den beteiligten Verwaltungen an der deutschen Strecke des Rheines sogenannte Fehlstrecken, und zwar 3, einzulegen: rd. 400 m zwischen km 22 und km 23 (bei Stein am Hochrhein), rd. 365 m an der badisch-hessischen Grenze (auf dem linken Ufer) und rd. 475 m an der hessisch-preußischen Grenze (auf dem linken Ufer). Nach dem Vorschlag, der auf dieser Besprechung gemacht wurde, sollte die Neukilometrierung folgendermaßen durchgeführt werden:

Zusammenstellung der alten und neuen Kilometrierung
Strecke Bisherige Kilometrierung Neue Kilometrierung Fehlstrecken
rechtes linkes rechtes linkes
Ufer Ufer
Rheinbrücke Konstanz 44,11 0
Stein am Rhein ~231 23,00 zwischen km 22 und km 23 rund 400m
Schaffhausen 0 43,70
126,32
Basel Mittlere Brücke 3,42 166,60
Grenze Schweiz/Frankreich 1,6
168,40
0
Grenze Schweiz/Baden 0 170,00
0
Grenze Frankreich/Bayern (182,070) 184,158 352,07
0
Grenze Baden/Hessen 266,635 (436,635) zwischen km 436,00 und km 437 rund 365m (365m)
270,0 437
Grenze Bayern/Hessen 85,7 438,40
271,4
Grenze Hessen/Preußen 334,9 501,90 (Umkilometrierung von km 502,00 bis km 530,00) zwischen km 529,00 und km 530,00 rund 475m (475m)
0
Grenze Hessen/Preußen 362,1 neu einmessen
27,6
Grenze Preußen/Holland 355,7 857,70
0
Grenze Preußen/Holland 363,4 865,40
7,7
1 mit Nullpunkt in Schaffhausen 2 mit Nullpunkt an der badisch-schweizerischen Grenze

Das Reichs- und Preußische Verkehrsministerium erließ auf diesen Vorschlag hin am 31. März 1939 folgende

Bekanntmachung für die Rheinschiffahrt

Betrifft: Neue Kilometrierung des Rheins.

Die jetzt bestehenden Kilometereinteilungen des Rheins - die badische, die bayerische, die hessische und die preußische - werden ab 1. April 1939 durch eine neue, durchgehende Einteilung ersetzt. Ihr Nullpunkt liegt in der Achse der Konstanzer Rheinbrücke. Die Nullpunkte der bisherigen km-Einteilungen fallen numehr auf folgende neue km-Punkte:

Badischer km 0,00 km 170,00
Bayerischer km 0,00 km 352,07
(Nullpunkt der hessischen Teilung "Alte Brücke Basel" wird km 167,00)
Hessischer km 270,00 (an der badisch-hessischen Grenze) km 437,00
Preußischer km 0,00 km 501,90
Preußischer km 28,00 km 530,00

Unterhalb der Reede von Mannheim/Ludwigshafen (km 423,00) werden die Kilometerpunkte durch eine weiße Zahl, die Halbkilometerpunkte durch ein weißes, stehendes Kreuz auf schwarzem Grund und oberhalb km 432,00 durch eine schwarze Zahl bzw. ein schwarzes Kreuz auf weißem Grund gekennzeichnet. Die übrigen Hundertmeterpunkte werden durch einen weißen, aufrechten Strich auf schwarzem Grund oder einen weißen Pfahl gekennzeichnet.

Die vorhandenen Teilpunkte bleiben im allgemeinen erhalten: die Kilometertafeln werden mit neuen Zahlen versehen. Auf dem rechten Ufer vom badischen km 126,00 bis 182,00, auf dem linken Ufer vom bayerischen km 0,00 bis 85,70 und auf dem rechten Ufer vom preußischen km 0,00 bis 28,00 wird die bestehende Teilung aufgegeben. Sie wird durch die neue Einteilung ersetzt, die der bestehenbleibenden Einteilung des jeweiliges gegenüberliegenden Ufers entspricht.

Ab 1. April 1939 sind für sämtliche Ortsangaben, die nach der Kilometereinteilung gemacht werden, die Zahlen der neuen Einteilung zu verwenden.

Berlin, den 31. März 1939

Der Reichsverkehrsminister
I.A. gez.:Hoebel

Mit einer weiteren Bekanntmachung vom 4. Sept. 1941, wonach aus obiger Bekanntmachung der Sach "Auf dem rechten Ufer vom badischen km 126,00 bis 182,00" zu streichen ist, fand die Neukilometrierung des Rheines ihren Abschluß.

Es war wahrlich kein bequemer Weg, der von den zusammenhanglosen Arbeiten am Niederrhein über die Korrektion am Oberrhein zu den Arbeiten der Zentral-Kommission und endlich zu der Neukilometrierung vom Jahre 1939 führte. Aber er mußte beschritten werden im Interesse aller, die heute die wichtigste Wasserstraße Europas benutzen, und derer, die sie verwalten.

aus: Der Rhein. Ausbau, Verkehr, Verwaltung, Duisburg 1951  
uit: Vaarwegen in Nederland, pp. 52-64
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